Du hast mich betört, o Herr, und ich liess mich betören..

 

"Du hast mich betört, o Herr, und ich ließ mich betören; du hast mich gepackt und überwältigt. Zum Gespött bin ich geworden den ganzen Tag, ein jeder verhöhnt mich. Ja, sooft ich rede, muss ich schreien, «Gewalt und Unterdrückung!», muss ich rufen. Denn das Wort des Herrn bringt mir den ganzen Tag nur Spott und Hohn. Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich es auszuhalten und konnte nicht." (Jeremia 20,7-9)

 

Beim Lesen der ersten Lesung vom Sonntag, muss ich an die Zeit meiner Entscheidungsfindung denken - an die Frage: Soll ich in unsere Ordensgemeinschaft eintreten, oder nicht?  "Du hast mich betört o Herr, und ich liess mich betören". Ja, der Gedanke an ein Leben in einer Ordensgemeinschaft, in der engeren Nachfolge Jesu hatte mich ergriffen. Meine Gedanken kreisten um die Frage: Soll ich, soll ich nicht? Was, wenn doch? Oder lieber nicht? Es war anstrengend, und Ruhe fand ich nur, wenn ich mich an einen stillen Ort zurückzog, ich liebte unsere Wallfahrtskirche. Oftmals war ich zweimal täglich dort - einfach, um etwas Ruhe zu finden vor den ewigen Gedanken. Und dann war da auch die Sorge: Wenn ja, was werden die anderen sagen? Meine Familie, meine Freunde, Bekannten?? Wird nicht Unverständnis und Spott auf mich zukommen? Wird man mich nicht belächeln oder gar für verrückt erklären? Also doch besser alles vergessen und wegschieben...

"Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer, eingeschlossen in meinem Innern. Ich quälte mich es auszuhalten und konnte nicht."

Ich spürte Gottes leises Rufen, Sein Werben, Sein Fragen, Seine Bitte... und gerade weil sie leise und vorsichtig war, konnte ich nicht davor weglaufen. Und jedesmal, wenn mir eine Ordensschwester über den Weg lief -und damals gab es noch mehrere davon - spürte ich wieder dieses Ziehen in der Magengegend...

Irgendwie ging es mir wirklich wie Jeremiah. Wirkliche Ruhe fand ich erst als ich irgendwann zu der Erkenntnis kam: Ich muss es wenigstens versuchen... Ich fand kürzlich einen Text, der mich sehr an diese Zeit der Entscheidung erinnert hat:

 

  

Warum ausgerechnet ich, Gott!

Warum belädst du gerade mich

Mit dem Gewicht der Welt?

Warum nährst du gerade mich

mit bitterer Wurzel und Aschenkraut?

Warum legst du gerade mir dein Wort

aus Feuer und Schwert in den Mund?

Lass mich!

Such dir andere!

 

Warum entkomme ich dir nicht?

Du hast dich eingebrannt in mich,

bist meine schmerzende Zunge,

bis ich dich wahr gesprochen habe!

Zu welchem Ende?

Lass mich!

 

Ausgerechnet mich willst du?

Du, leidenschaftlicher Gott,

ob ich die Kraft habe, dich zu lieben,

damit ich liebe, was du liebst,

und will, was du willst?

Ob ich an dir zerbreche?

Ob ich an dir wachse?

Ist es so, wenn man liebt?

Lass mich!

Nein, lass mich nicht!

 

(Verfasser unbekannt)

 

                Sr. Anna Mirijam cps

 

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Kommentare: 2
  • #1

    sahra (Samstag, 27 August 2011 20:02)

    Vielen Dank für die Gedanken - und besonders für den Jeremia Text - hat mich sehr angesprochen.
    Mir kam noch der Gedanke, dass es uns auch oft wie Jeremia ergeht, wenn wir als Christen in der Gesellschaft den Mund aufmachen, also z.B. gegen Abtreibung sind. Dann kann es auch oft sein, dass man uns beschuldigt,dass wir Hohn und Spott ertragen müssen. Und doch finde ich es wichtig, dass wir nicht aufhören, für das Leben einzutreten..

  • #2

    NL (Montag, 29 August 2011 14:52)

    Irgendwie wurde ich in den letzten Tagen öfter (in mehreren Gesprächen mit verschiedenen Menschen) mit dem Thema `ungleiche und gleiche Partnerschaft` konfrontiert. Und habe dann auch wieder daran gedacht wie schwer es doch manchmal ist eine Position zu vertreten und dazu zu stehen - auch und gerade, wenn die Menschen in unserer Umgebung zu einem Thema eine andere oder gar keine Position vertreten. Wann muss ich Kompromisse machen, wann die Meinung des anderen stillschweigend akzeptieren, wann meine Position kundtun oder den anderen davon überzeugen?
    Wie viel stilles Annehmen ist gut für die Beziehung zwischen zwei Menschen, wann sind Positionen so verschieden, dass ein Zusammenleben nicht funktionieren kann? Kann eine Beziehung nur von Dauer sein, wenn zwei Menschen weitgehend die selben Positionen vertreten oder in der selben Situation sind?
    Oder kann wahre Liebe allen Verschiedenheiten trotzen?
    Jeremia liebt seinen Gott - deshalb kann er gute wie schlechte Nachrichten überbringen - deshalb wagt er es immer wieder, auch nachdem er Spott und Hohn erfahren musste.
    Gott beruft Jeremia zu seinem Auftrag - und Jeremia sagt JA zu diesem Auftrag, jeden Tag aufs Neue, nach allem Spott und allem Leid, weil er seinen Gott liebt.
    Und so kann auch Jeremia nicht lassen und sagt zu seinem Gott: "Nein, lass mich nicht!"

    Schöne Gedanken, Sr. Anna Mirijam, danke fürs Teilen!

                   Berufung

 

Einer ruft

                         leise

aber Er ruft

                   warum?

                             - egal

Er ruft

                         leise

aber immer, immer wieder

 

nicht laut

        nicht befehlend

              nicht herrisch

 

            sondern

 

ganz leis

        ganz zärtlich

               ganz behutsam

 

Einer ruft

                      und wartet -

           wartet auf Antwort

                  .... geduldig ....

aber rufend ...

                     immer ....

                    ... immer wieder...

 

Sr. Anna Mirijam cps

Wenn du mehr über unsere Gemeinschaft erfahren willst, kannst du hier weiterlesen.

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